Die Gersweiler Meierei

 

 

 

I. Mittelalter bis Ende 16. Jahrhundert

 

6. Der Stiftsmeier (Gotshus meyer)

 

Er war zuständig für die Kirchenzinsen. Diese waren fällig an St. Martinstag (Hühner) für den Winter, an St. Andreastag (anderer Zins) und an Ostern (Eier).19

 

Alle Stiftsmeier sollten frei sitzen von den Geboten und Abgaben des Vogtes, sie hatten ihm gegenüber keinerlei Verpflichtungen. Wird ein Stiftsmeier gefangen genommen, so hat das Kapitel ihn freizukaufen. Kann dieses ihm nicht helfen, so hat der Kastvogt ihnen zu helfen. Sie stehen also unter besonderen Schutz.20

 

Am Einsetzen bzw. Absetzen der Stiftsmeier kann der wachsende Einfluß des Saarbrücker Grafen verdeutlicht werden:

 

1. Im Jahrgeding 1417 heißt es: Kapitel und Dechant des genannten Gotteshauses haben Macht zu setzen und zu entsetzen nach ihrem Willen, ohne den Vogt zu fragen.21

 

2. Im Jahrgeding von 1423 wurde ausdrücklich danach gefragt, was auf Unstimmigkeiten oder Machtkämpfe schließen läßt. Als Ergebnis kann festgestellt werden, daß Dechant und Kapitel ihre Meier allein einsetzen und entsetzen können.22

 

3. Ein Misselweistum (Missel = Streit) ohne Datum, allerdings später als 1423, besagt, daß die Herren von St. Arnual, ohne daß der Kastvogt oder dessen Amtleute zugegen wären, weder Meier, Amtsmann, Schöffen noch Geschworene einsetzen dürfen.23

 

4. Aus dieser Muß-Bestimmung wurde 1453 eine Kann-Bestimmung. Der Vogt war berechtigt, jemanden zu der Bestellung zu entsenden, also Einfluß auf die Auswahl zu nehmen. Hier ist ein Kompromiß geschlossen worden zwischen dem Misselweistum und den Aussagen des Jahrgedings von 1423. Stiftsmeier und Schöffen waren zuständig für die Niedergerichtsbarkeit.24 Der Graf bekam ein Drittel des Bußgeldes. Wenn jedoch keine Buße vom Stiftsmeier genommen wurde, so mußte auch des Vogtes Bote auf seinen Anteil verzichten.25

 

Der Stiftsmeier war also der entscheidende Richter, wohingegen der Vertreter des Vogtes sicherlich seinen gewichtigen Einfluß geltend gemacht haben dürfte. Der Niedergerichtsbereich war über lange Zeit einer der Hauptstreitpunkte zwischen dem Stift St. Arnual und dem Saarbrücker Grafen. Der wachsende Einfluß des Grafen wird in den Weistümern nur in feinen Unterschieden in den Formulierungen deutlich.

 

Die Stiftsmeier hatten die Pflicht zur Teilnahme an den Jahrgedingen, den Gerichtstagen. Versäumten sie diese Pflicht, so mußten sie eine Strafe zahlen und waren der Gnade des Grafen verfallen, der solchen Ungehorsam keineswegs duldete.26

 

 

6.1. Der Stiftsmeier in Aschbach

 

1423 wird für Aschbach ein Stiftsmeier urkundlich bezeugt (ein Meier und zwei Schöffen von Abesbach). Da die Meier ihre Herren nicht viel kosteten, dafür aber nach dem Rechten sahen, kann man vermuten, daß in dem kleinen Aschbach lange Zeit ein Stiftsmeier amtierte. Die Stiftsmeier wurden wie die Gerichtsleute zu St. Arnual in der Stiftskirche gewählt. 1417 mußten Meier und Schöffen mit bloßen Häuptern, ihre Kapuzen auf die Achseln geschlagen, dem Jahrgeding beiwohnen. Wie lange es in Aschbach einen Meier gab, der vorn Stift eingesetzt wurde und in dessen Auftrag tätig war, ist nicht bekannt.

 

Man nimmt an, daß der kleine Ort Aschbach im 16. Jahrhundert unterging. In den Urkunden kam Aschbach 1539 noch vor. 1542 wurden in der Türkenschatzung nur noch als Bewohner von Aschbach der Ziegler und sein Knecht, der Bruder und die Bruderschaft zu Gersweiler erwähnt. In der letzten Stiftsrechnung von 1569 erscheint Aschbach nicht mehr. Die Kirche bestand weiter als die Gersweiler und Ottenhausener Pfarrkirche zu Aschbach (1570). Bei der Kirche sollen das Herrenhaus, der sogenannte Freihof des Stiftes, und einige Bauernhäuser gestanden haben.

 

Im Zuge der Streitigkeiten zwischen Stift und Graf (s. Kap. I.11.) setzte das Stift um 1554 einen neuen Stiftsmeier ein, allerdings in Gersweiler. Dieser bekam die brutale Macht des Grafen zu spüren und wurde zusammen mit zehn Gersweiler Bewohnern nach Saarbrücken in den Turm geworfen. Mit dem Ende des Stiftes war auch seine Amtszeit zu Ende.

 

Der Stiftsmeier hatte den Zehnt des Grundherrn zumindest in den früheren Jahren einzutreiben. Dieser war eine Abgabe an die Kirche zum Unterhalt der Geistlichen. Man unterschied den Feldzehnt (Feldfrüchte, Flur-, Fruchtzehnt) und den Tierzehnt. Der Feldzehnt war entweder großer Zehnt von den Halmfrüchten, Wein und Öl oder kleiner Zehnt von den übrigen Früchten. Der Tierzehnt wurde entweder in Vieh entrichtet oder in Tierprodukten (Eier, Butter, Fleisch). Seit dem 9. Jahrhundert konnten auch weltliche Herren den Zehnten einziehen. Selten wurden wirklich 10% abgeführt; ab dem 13. Jahrhundert konnte der Zehnt auch in Geld umgewandelt werden. Erst die Französische Revolution schaffte ihn ab.

 

Der große Zehnt betrug für Gersweiler 1569 17 Malter Korn (1 Malter = 178 l) und 17 Malter Hafer. Der kleine Zehnt wurde von Ferkeln, Gänsen, Hanf und Flachs erhoben. Der Zinshafer betrug 6 Malter. Das Stift erhielt außerdem 8 Gulden für die Eckernutzung in den Wäldern. Daneben sind in der Stiftsrechnung vier Kapaunen und vier Maß Wein aufgeführt. Gersweiler brauchte keinen Weizen, keine Eier und keine Zinshühner zu geben, wie es bei anderen Gemeinden der Fall war. Für Weizenanbau war der Boden hier nicht geeignet. Auf dem hiesigen Bann gäbe es nur nichtswertiges Faulland, welches zu keiner Frucht dienlich sei, und der Wald sei ebenfalls nur von geringer Nutzbarkeit, erklärte die Gemeinde 1605.

 

Erhoben wurde der Zehnt meist in der Art, daß deren Erträge gegen Meistgebot versteigert wurden, während die Grundrenten durch den örtlichen Stiftsmeier eingezogen und von diesem an den Stiftsschaffner abgeführt oder auch direkt von diesem eingezogen wurden.27 1762 gab die Gemeinde an, daß in der ganzen Gersweiler Meierei, anstatt des sonst gewöhnlichen Zehnten, nur der elfte Teil sowohl als großer, als auch kleiner Zehnt entrichtet werden müßte.28

 

Wohl die wichtigste Aufgabe bestand in der Aufsicht über den Stiftswald. Es gab regelmäßige Holztage, jeder Einwohner erhielt dabei vom Stiftmeier das benötigte Bau- und Brennholz, das Holz für Pflüge und Zäune und andere Bedürfnisse. Der Stiftsmeier zog das Geld ein und paßte auf die Schweinemast auf. Die Holztage für Gersweiler sind in einer Urkunde von 1730 belegt: Die Gemeinde gab an, daß ihr zu ihrem eigenen Nutzen jederzeit erlaubt sei, gewisse Holztage abzuhalten.29 Der Stiftsmeier mußte die niedere Gerichtsbarkeit mit den Schöffen auf den Gütern, die dem Stift gehörten, wahrnehmen, Feld- und Waldfrevel ahnden, Zahlungen der Leute anmahnen, entgegennehmen oder eintreiben und den armen Mann bei Versäumnis seiner Pflichten pfänden.

 

Er hatte dem Stift Rechnung abzulegen und war ihm verantwortlich. Auf den Jahrgedingen und Weistümern in St. Arnual war es seine und der Schöffen Pflicht teilzunehmen. Er stand unter dem besonderen Schutz des Stiftes und war frei von Geboten und Abgaben des Vogtes, der ihm bei Gefangenschaft helfen mußte.30