Die Gersweiler
Meierei
I. Mittelalter bis Ende 16. Jahrhundert
10. Urkundlich belegte Begebenheiten des 14. und 15. Jahrhunderts
Im Mittelalter
wechselten die Besitzer (Lehnsherren) oft. Die Besitzwechsel gaben öfter Anlaß
zu Streitigkeiten zwischen den Dörfern Abesbach, Gersweiler und Ottenhausen auf
der einen Seite und dem Stift St. Arnual auf der anderen Seite. Auch
Differenzen mit den Saarbrücker Nachbarn sind bezeugt. Diese Streitsachen sind
die wenigen Urkunden, die uns über das Leben und die Verwaltung der damaligen
Zeit Auskunft geben.
10.1. Der Streit um den Lämmerzehnten47
Von existenzieller
Bedeutung für die leibeigenen Bewohner, die den Grund und Boden des Herren
bewirtschaften mußten, waren Wald, Weide, Wasser und das eigene Vieh, von
welchem sie den Tierzehnten zu entrichten hatten. Im Jahre 1356 kam es zum
Streit zwischen dem Stift und der Gemeinde Abesbach, Gersweiler, Ottenhausen
wegen des Lämmerzehnten (ein Mistels und Gespännes), was beweist, daß die
Dorfleute ihre Rechte kannten und auch durchzusetzen versuchten.
Wer für die Gemeinde
sprach, ist leider nicht gesagt. Es heißt nur: "Gemein von Abespach, von
Gerschweiler und von Ottenhußen". Ob eine Abordnung von Gemeinsleuten sich
gegen das Stift wehrte, oder ob sogar die Gemeinde von jemandem, der außerhalb
der Gemeinde stand und von ihr beauftragt worden war, vertreten wurde, ist
nicht zu bestimmen. Wahrscheinlicher ist, daß die Dorfgenossen in einer
Gemeindeversammlung, ihren Dorfvorstand, Meier und Schöffen, mit der Wahrung
ihrer Interessen beauftragten. Der Streit wurde vom Saarbrücker Grafen Johann
II. geschlichtet.
Das Stift wollte, wenn
in einem Jahr in einem Haus weniger als zehn Lämmer seien, die Zahl
aufschreiben. Sie wären dann im nächsten Jahr dazuzurechnen. Die Leute hätten
dann von je zehn Lämmern eines abzugeben. Die Einwohner waren bereit, von je
zehn Lämmern eins dem Stift zu geben (gern eins zu bringen zum Zehenden),
allerdings, wenn es weniger als zehn in einem Jahr seien, diese nicht im
nächsten Jahr dazuzuzählen, sondern von den vorhandenen, einen Hebeling = ½
Pfennig geben. Der Graf versöhnte die Streitenden "bei gutem Willen von
jeder Parthie wohl und gütlich", indem er die Verfahrensweise des Stiftes
empfahl, der sich schließlich die Gersweiler beugen mußten.
Im selben Jahr 1356
stiftete Graf Johann einen Altar zu Ehren des Heiligen Jakobs in der Burg
Saarbrücken zum Seelenheil seiner Familie. Dem Kaplan, der an drei Tagen in der
Woche Messe zu lesen hatte, wurde neben verschiedenen anderen Einkünften auch
das Schwein von den Wiesen zu Gerßwiller vom Grafen zu seinem Lebensunterhalt
zugedacht.
10.2. Der Streit um die Abgaben an den rechten Herrn48
Das Mittelalter war eine
unruhige Zeit, wo die unfreien Bauern, die armen Leute, nicht nur in den vielen
Kriegszeiten unter den Lasten stöhnten, die sie von den Herren aufgebürdet
bekamen. Ganz arg wurde es für sie, wenn sie zwei Herren hatten und diese im
Streit lagen.
1426-28 wurden
"drei arm Mann" von Gersweiler im Abesbacher Wald vom Stiftsmeier
oder dessen Boten gepfändet. Das Pfand wurde nach St. Arnual getragen, die
Männer sind dem Pfand gefolgt und haben den Herrn um Gnade gebeten, der sie
aber verweigerte. Danach klagten die armen Leute beim obersten Amtmann der
Grafschaft Saarbrücken. Sie wollten die Buße dem rechten Herrn billiger geben
als dem vorgeschriebenen Herrn, denn sie gehörten dem Kastvogt und nicht den
Herren von St. Arnual.
Sie stellten dem Amtmann
die Frage, wer die Bußen zu bekommen habe. Der Amtmann ließ den Meier von
Gersweiler fragen. Dieser konnte die Angelegenheit nicht allein entscheiden. Er
veranlaßte, daß Meier, Schöffe und Hof berieten und über den Fall entschieden. Die
Entscheidung wurde niedergeschrieben als Misselweistum zwischen dem Herrn von
Saarbrücken und dem "Herrn von der Wälder von Abesbach wegen und anderer
missel wegen daselbst"; alle Frevel-Bußen, die auf dem Wald und Bann im
Dorf oder Bezirk Gersweiler anfallen, sind zu teilen: 5 Schilling fallen den zwei
Vögten und 2 Schilling dem Gotteshaus Meier (Stiftsmeier in St. Arnual) zu. Alle
hohen Bußen (60 Schilling 1 Heller) bekommt allein der Kastvogt (Graf).
Bezüglich der
Holznutzung im Stiftswald wird das Weistum von 1417 bestätigt. Für die
Eckermast der Schweine ist allerdings eine Erhöhung um 2 Pfennig vorgesehen,
wodurch die Gersweiler mit den übrigen St. Arnualer Orten gleichgestellt
wurden. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Differenzen um die Besetzung der
Meierstelle von St. Arnual aus so geregelt, daß stets einem Vertreter des
Grafen ein Mitspracherecht zustand.
1539 kam es nach
erneuten Streitigkeiten mit dem Stift wegen Weide- und Holzrechten im
Stiftswalde des Aspach zu einem Vertrag, in dem die Rechte der Gersweiler
Dörfer bezüglich dieser Waldnutzungsberechtigungen schriftlich niedergelegt
wurden, ähnlich wie in den behandelten Weistümern.
10.3. Der Streit um die Eckernutzung49
Das Vieh der Bauern war
das ganze Jahr über auf der Weide. Im Herbst wurden die Buchecker und Eicheln
im Wald, der hauptsächlich aus Eichen und Buchen bestand, genutzt, um die
Schweine zu mästen. Nur der Wald ernährte die Schweineherden. Denn das
Hauptfuttermittel von heute, die Kartoffel, gab es noch nicht. Anfang Oktober
wurde die Herde vom Schweinehirten ausgetrieben. Sie blieb bei günstiger
Witterung bis Mitte Dezember in der Eckermast. Dann ging das Schlachten an. Ein
schlechtes Eckerjahr war ein Unglück für die ganze Gemeinde.
Um dieses sehr wichtige
Recht war es zu einem Streit zwischen der Stadt Saarbrücken und der Gemeinde
Gersweiler und Ottenhausen gekommen (1539), und zwar die Eckernutzung im
Breitenbacher Wald betreffend. Die Gersweiler beanspruchten das Recht, ihr Vieh
in den Breitenbacher Wald zur Schmalzweide (Weide auf Eicheln, Buchecker,
Holzäpfel und Holzbirnen) zu treiben. Die Saarbrücker fühlten sich dadurch
beeinträchtigt und beschwerten sich, weil sie den Wald in Erbbestand hätten. Auch
verwehrten die Gersweiler dem Saarbrücker Hirten, das Vieh am Kandelbrunnen zu
tränken. Sie baten den Grafen von Saarbrücken als ihren Landesherrn, sie als
arme Leute bei ihrem alten Gebrauch zu lassen, damit sie ihm Fron und Dienst
tun könnten.
Die Vermittlung in
diesem Streit, der 1760 erneut entschieden werden mußte, kam durch den
Hofmeister, den Schultheiß und den Sekretär des Grafen zustande. Danach durfte
kein Teil über die Grenze des anderen fahren. Dem Hirt von Saarbrücken wurde
gestattet, sein Vieh am Kandelbrunnen zu tränken, doch ohne den Gersweilern
Schaden zuzufügen.
Die Vertretung der
Gemeinde erfolgte durch Verordnete aus den Gemeinden der Dörfer Aspach,
Ottenhaußen und Gerschweiler. Es kann angenommen werden, daß sie vom
erweiterten Gemeindevorstand - bestehend aus Meier, Schöffen und einigen
Gemeindsmännern - ihre Gerechtsame verteidigen ließ, die ihr Mandat zum
Einschreiten in der Gemeindeversammlung bekommen hatten. Der Meier war hier
nicht in der Rolle des herrschaftlichen Beamten, sondern in der Vertretung der
genossenschaftlichen Rechte der Gemeinde gegenüber feindlichen Nachbarn tätig.
10.4. Die Türkenschatzung
1540 wurde das Heilige
Römische Reich Deutscher Nation von den Türken bedroht, die damals schon bis
nach Ungarn vorgedrungen waren und bald vor Wien standen. Zur Befreiung Ungarns
sollte ein Reichsheer aufgestellt werden, das durch eine Steuer finanziert
werden sollte (Schatzung = außerordentliche Steuer, die, wenn eine Notdurft
bestand, erhoben werden konnte).
Alle Bewohner,
ausgenommen der Adel und die Stadtgeistlichen, wurden daran beteiligt. Die
Steuer, der gemeine Pfennig, war nach dem Vermögen gestaffelt. Dieses mußte
jeder für sich selbst schätzen, und zwar im Beisein von herrschaftlichen
Beamten und kundigen Leuten. Aus dieser Zeit existiert die älteste Einwohnerliste
von Gersweiler, in der auch das geschätzte Vermögen der Einzelnen aufgeführt
ist50:
Es waren in der Meygerey
zu Gerßweiler veranlagt:
Gersweiler:
Kuntz un synn Sonn 7 ½ batzen
der meiger 9 batzen
Schneyder hanns 2 batzen
Eberts hanns 7 kreutzer
hennrich 1½ batzen
synn magt 1 kreutzer
der scheffer 1 batzen
Peter Kuntzem eiden 1½ batzen
Veltin 7½ batzen
Synn Knecht 1 batzen
Marx adam 1 batzen
Annton 7½ batzen
Morheinsgin nickel 3 batzen
der kuwhiert 1 batzen
Peter Marxen Eidem 3 batzen
Jost 3
batzen
Morheinsgins son claus 3 batzen
Jost sin knecht 1 kreutzer
Schillis unn synn mutter ¼ gulden = 1 Ort
Adam ¼ gulden
der schweinehiert 2 kreutzer
Ottenhusen:
Caspar ¼ gulden
synn Schwiegerfrauw 1 batzen
Kunen hanns ¼ gulden
Hanns frolich 1½ batzen
der weber 2 kreuzer
Enndris 3 batzen
der Schweinehiert 2 kreuzer
Aschbach:
der zigeller ¼ gulden
synn knecht 3 batzen
der bruder zu Aspach 2 kreutzer
die Bruderschaft zu
Gersweiler 5 batzen
Es werden für Gersweiler
18 Familien, 2 Knechte und 1 Magd aufgeführt, für Ottenhausen 7 Familien und
für Aschbach 1 Familie, 1 Knecht, der Bruder zu Aschbach sowie die Bruderschaft
zu Gersweiler. Die Nachbarorte Malstatt und Burbach zählten 20 bzw. 15
Haushaltungen. Die Einwohner sind der Reihenfolge der Wohnungen nach
aufgezeichnet. Familiennamen waren damals noch nicht immer üblich.
Auffallend ist, daß der
Meier nur mit seiner Amtsbezeichnung, nicht mit Namen genannt wird. Doch auch
andere Einwohner, die keine Bauern waren, werden ohne Namensnennung nur mit der
Berufsbezeichnung angegeben: Der Schäfer, der Kuhhirt, der Schweinehirt, der
Weber, der Ziegler und der Bruder zu Aschbach.
Im Jahr 1551 ist ein
Altmeiger Felten zu Gersweiler als Bürge überliefert. Altmeier wurde derjenige
genannt, der früher das Meieramt inne hatte, um ihn von dem aktuellen Meier zu
unterscheiden. Ob es sich um den 1542 aufgeführten Veltin handelt, der 7½
batzen veranlagt war, kann nur vermutet werden, da die Schreibweise der Namen
variiert.
Die Gemeinde
beschäftigte insgesamt 4 Hirten: Den Schafhirten, den Kuhhirten und je einen
Schweinehirten für Gersweiler und Ottenhausen. Die Hirten waren vom Frondienst
befreit, sie waren jedoch nicht freizügig. Das Vieh war für die Bauern
lebenswichtig und somit sehr kostbar. Sie mußten auch die Hirten selbst
bezahlen, die vom Meier gedingt wurden am Gertrudistag und unter dessen Aufsicht
standen. Knechte, Mägde und andere Diener, die unter 15 Gulden Lohn hatten,
mußten von jedem Gulden 1 Kreutzer geben. Der Bruder von Aspach wurde zu den
Geistlichen gezählt. Unter der Rubrik "Bruderschaften in der Gravschaft
Sarbrugken sint zur Türckenschatzung belegt wie nachfolgt" erscheint die
Bruderschaft zu Gersweiler mit 5 Btz.
Die Bruderschaften gab
es in fast allen Orten der Grafschaft. Sie waren eigene kirchliche Stiftungen
und regelten das kirchliche Leben im Dorf. Sie regelten ihre Verwaltung
eigenständig und mußten ihren Vorgesetzten am Jahresende Rechnung ablegen. Sie
waren Vereine von Frauen und Männern, die nach genau festgelegten Regeln zur
besonderen Verehrung eines Heiligen, eines besonderen Glaubensgegenstandes oder
zu besonderen Gebets- und anderer guter Werke zusammenlebten. Die
Bruderschaften übernahmen den Bau und die Unterhaltung der Kirche, sammelten
Spenden an Geld und Naturalien, die entweder den Armen oder dem Stift gegeben
wurden. Dieses mußte dafür an bestimmten Tagen Messe halten. Hierdurch wurde
das Stift gezwungen, öfters als vorgesehen, eine Messe zu halten, denn das Stift
tat wenig von sich aus.51 Schon 1312 ist Johann, Bruder von
Gersweiler, bezeugt.
Um die
Vermögensverhältnisse der einzelnen Bewohner einzuschätzen, muß man den Wert der
Währung kennen: 1 Gulden (fl) = 15 Batzen, 1 Batzen = 4 Kreuzer, 1 Ort = ¼ Gulden
= 15 Kreuzer = 3,75 Batzen.
Demnach war der Meier
der wohlhabenste Gersweiler mit 9 Batzen. Allerdings hatte er keinen Knecht. Es
folgten 3 Bauern mit 7½ bzw. 7 Batzen und die Bruderschaft zu Gersweiler mit 5
Batzen. Mit einigem Abstand kamen dann 4 Bauern (darunter eine Witwe mit ihrem
Sohn) und der Ziegeler mit jeweils ¼ Gulden, gefolgt von weiteren 4 Bauern und
erstaunlicherweise einem Knecht mit 3 Batzen. 9 Einwohner gaben 7 kreutzer, 1½
bzw. 1 batzen an, darunter der Kuhhirt, der Schäfer, der Weber und der Bruder
zu Aschbach. Die Steuer betrug 10% vom Einkommen oder ½ vom Vermögen.
Gersweiler zahlte an
Steuern 4 Gulden, 2 Batzen und 3 Kreutzer, Ottenhausen 1 Gulden, 6 Batzen und 1
Kreutzer, zusammen also 5 Gulden und 9 Batzen. Zum Vergleich: Die Stadt
Saarbrücken (188 Familien, 88 Gesinde) zahlte 148 Gulden, St. Johann (83/22) 57
Gulden, St. Arnual (49/16) 16 Gulden, Stift St. Arnual (12/16) 51 Gulden,
Malstatt (20/4) 9 Gulden und Burbach (15/1) 4 Gulden.