DAS 18. JAHRHUNDERT

 

 

 

 

8. Das Dorfgericht

 

Der Gemeindevorstand war das Dorfgericht. Es vertrat die Gemeinde nach außen und erledigte die Angelegenheiten mit den Nachbarn. Dem Dorfgericht gehörten Meier, Heimmeier und Gerichtsmänner an. 1741 berichtete der Meier:

Das Gericht besteht

Auß dem Meyer, Hanß Henrich Meyer

Auß dem Heymeyer, Hanß Ebert Diesinger

und 2 Gerichtsmännern

1. Frantz Siebenschuh zu Görschweyler

2. Jakob Ledig zu Ottenhausen.

 

Diese Zusammensetzung des Dorfgerichtes ist auch bei Sittel angegeben: ein Mayer, ein Heymayer und 2 Gerichtsmänner.119 Ob der Dorfvorstand zu allen Zeiten so konstituiert war, läßt sich nicht mehr nachweisen.

 

Aus den Akten des Landesarchivs und den vorhandenen Gemeinderechnungen ist folgendes für das 18. Jahrhundert zu ersehen:

1727 unterschrieben ein Aktenstück im Namen der Gemeinde: Hans Henrich Meyer als Meier (er unterschreibt selbst, die anderen machen ihr Handzeichen), Peter Bayer, Hans Ebert Diesinger und Hans Görg Martin.

1729 zeichnete Hans Henrich Meyer als Meier, Hans Nickel Becker, Hans Georg Martin, Franz Siebenschuh und Jacob Matheis (alle Handzeichen). Im selben Jahr unterschrieb Hans Henrich Meyer, Meyer Gerßweiler und Ottenhausen im Na­men der ganzen Gemeind, Hans Ebert Diesinger, Gerichtsmann von Gerßweiler, und Jacob Matthiß von Ottenhausen machten ihr Handzeichen. 1754 wurde die treu gehorsamste Gemeinde zu Gerschweiler vertreten durch Hanns Hennrich Meyer, Bernhard Simon, Hey Meyer, Nikolaus Melling und Claud Matthieu.

1760 gaben ihre Unterschrift Henrich Anthon Müller, Meyer, und Johann Georg Kurtz als Gerichtsmann. Ihr Handzeichen machten Nickel Melling und Frantz Martin.

1761 verkauften Herr Mayer samt Gericht und ganzer Gemeinde von Gerschweil­ler Holz aus dem Gemeinde Wald.

1766 wurden vom Consilium Saarbrücken als Vorsteher der Gemeinde Gerswei­ler nach Saarbrücken bestellt der herrschaftliche Meier und die übrigen Vorste­her. Es erschienen der Meier und 2 Gerichtsleute. Die Anwesenheit des Heimmeiers war nicht erforderlich. Im selben Jahr erging ein Bericht aus Gers­weiler nach Saarbrücken, unterschrieben von Henrich Anthon Müller, Meyer, und Johann Georg Kurtz als Gerichtsmann.

An den Meier als ausführendes Organ erging danach ein Schreiben: Fiat Befehl an den Meyer zu Gerschweiler ...

1767 erschienen bei der fürstlichen Regierung im Namen der Gemeinde Gerswei­ler der dasige Meyer Henrich Anthon Müller, der Gerichtsmann Joh. Georg Kurtz, der Gemeinsmann Niclas Melling und mit ihnen der Kirchen Censor Joh. Georg Müller von der Krughütte.

1768 bestand das Dorfgericht aus dem Meier Henrich Anthon Müller, den Ge­richtsmännern Philipp Siebenschuh und Johann Georg Kurtz sowie dem Heimmeier Jacob Käufer zu Ottenhausen. Ein Jahr später hieß der Meier Philipp Siebenschuh, die Gerichtsmänner Johannes Meyer und Johann Georg Kurz und der Heimmeier Claude Mathieu. Die nächsten 3 Jahre blieben, wie die Gemeinde­rechnungen ausweisen, Meier und Gerichtsleute, nur die Heimmeier wechseln jährlich.

 

Der Begriff Gemeinde wurde verschieden gebraucht: im Sinne der alle Orte um­fassenden Meierei, die gekennzeichnet war durch die Zuständigkeit eines Meiers, nur für den einzelnen Ort (Gersweiler oder Ort Ottenhausen) oder für die beiden Orte Gersweiler und Ottenhausen zusammen. Im Namen der Gemeinde als Dorfvorstand handelten also verschieden zusammengesetzte Gremien. Immer war der Meier zugegen. Die Anwesenheit des jährlich wechselnden Heimmeiers war nicht immer erforderlich. Die beiden Gerichtsleute waren meist anwesend, zu­mindest einer von ihnen, obwohl sie nicht immer als solche gekennzeichnet sind. Aber auch Gemeinsleute waren bei Abordnungen der Meierei zugegen. Die Meie­rei wurde also nicht immer in der oben erwähnten Form vertreten.

 

Das Dorfgericht war eine Verwaltungsbehörde, die nicht nur gemeindliche Auf­gaben zu erfüllen hatte, sondern auch im Auftrag von fürstlichen Landesbehörden, insbesondere des Oberamtes, handeln mußte. Es hatte die Gemeinde zu vertreten und die Beschlüsse der Gemeindeversammlung auszuführen. Außerdem war es seine Pflicht, die Hirten und Schützen anzustellen, zu besolden und zu kontrollie­ren. Als unterste Finanzbehörde mußte es die von dem Amt jährlich ausgeschrie­benen Landgelder (Reichs-, Kreis- und Landessteuern) auf die einzelnen Ge­meindemitglieder verteilen. Die Meierei Gersweiler hatte 1769 dreizehn Gulden von jedem Tausend des Landgeldes der Grafschaft zu bezahlen. Diese festgelegte Summe legte das Dorfgericht, vor allem der Meier, auf die einzelnen Steuerzahler um. Daneben hatte es die einzelnen Gemeindeabgaben festzusetzen und auf die einzelnen Gemeindemitgliedern zu verteilen.

 

Als Bauaufsichtsbehörde überwachte das Dorfgericht die Häuser der Privatperso­nen und der Gemeinde auf ihren baulichen Zustand. Wegen der Brandgefahr sollten beispielsweise ab Beginn des 18. Jahrhunderts die Schornsteine und Backofen aus Stein und die Dächer mit Ziegeln gedeckt sein. Die Forst-, Jagd- und Waldordnung vom 5. Juni 1745 bestimmte, daß es keinem erlaubt war, die äußeren vier Wände aus Holz zu machen oder sein Gebäude mit Stroh zu decken, sondern jeder sollte seinen Bau mit Steinen ausführen und mit Ziegeln decken.120 Deshalb gab es vierteljährliche Hausbesichtigungen durch den Dorfvorstand zur Feststellung von Brandgefahren. Zusätzlich gab es eine jährliche Visitation zu Beginn des Jahres durch den Förster, mit Hinzuziehung des Meiers und eines oder zweier Gemeinsleute.

 

In den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurden einige Gersweiler Häuser durch Feuer vernichtet. 1754 verbrannten 7 Häuser - durch Zufall, wie es heißt. 1756 traf ein Blitz das Haus des Meiers. Im selben Jahr verbrannte ein anderes Haus nach Blitzeinschlag. Beim Wiederaufbau mußten die verschärften Brand­vorschriften beachtet werden. Danach bestätigte Amtmann Lex die Ausführung dieser Maßnahmen. Er zählte hier 18 Häuser, davon 2 1/2 mit Stroh, die übrigen mit Ziegeln bedeckt. Die Schornsteine waren bis auf 3 aus Steinen erbaut.

 

Auch Krughütte hatte gemauerte Schornsteine und Ziegeldächer. Einschließlich des Hirtenhauses standen 7 Häuser hier, die alle, außer diesem, mit Ziegeln ge­deckt waren. Fünf Schornsteine waren gemauert, die beiden anderen aus Holz. Nur Ottenhausen war rückständiger. Hier standen 6 Häuser, welche alle mit Stroh gedeckt waren. Nur 2 Scheunen besaßen Ziegeldächer. Auch alle Schornsteine waren aus Holz.

 

Das Dorfgericht nahm die Arbeiten an Wegen, Bächen, Brücken, Viehtränken und Trinkbrunnen ab. Das Setzen von Grenzsteinen (Banngrenze, Feldgrenze, Gütergrenze) war eine wichtige Funktion des Dorfvorstandes. Es wurde genau unterschieden zwischen einem Bannstein, einem beschädigten und einem neuen Grenzstein innerhalb des Bannes:

Ein Bannstein war im Beisein eines Regierungsdeputierten vom Meier, Förster und Dorfgericht zu setzen. Dabei wurde außer dem Arbeitslohn für den Steinmet­zen, den Unkosten oder Diäten nach dem herrschaftlichen Reglement nichts be­zahlt.

 

Um einen verrückten oder gebrochenen Feld- oder Güterstein an seinen vorigen Ort wieder zu setzen, welches Meyer und Gerichte und die beiden Angrenzer tun sollten, mußten 30 Kreuzer Gebühr bezahlt werden. Auch ein neuer Feld- oder Güterstein mußte in Anwesenheit der Angrenzer von Meier und Gerichten gesetzt werden. Dafür mußten die Angrenzer 5 Kreuzer an Gebühren zahlen.

 

Auch hatte der Dorfvorstand die Tierhaltung zu überwachen (Tierseuchen, an­steckende Krankheiten) und war mit der Regelung der Vatertierhaltung (Zuchtstier, Eber) betraut. Wer den Zuchtstier unterhielt, sollte seinen billigen Lohn bekommen. Meier und Heimmeier waren verpflichtet, für die Haltung und Herbeischaffung von tauglichem Zuchtvieh zu sorgen. Wieviel Heu, Hafer oder Geld für die Haltung zu zahlen war und woher dieses zu erhalten war, sollte je­desmal bei Bestellung des Heimmeieramtes verabredet werden. Wo an einem die­ser Punkte Klage und Mangel gefunden wurde, sollte sowohl derjenige, der ge­fehlt hatte, dafür büßen, also auch Meier, Heimmeier und Gericht, wo sie nicht sofort das Nötige veranlaßten.

 

Der Dorfvorstand regelte die Gemeindeweide und legte die jährlichen Weideflä­chen fest. Die Wiesenbeweidung durfte nach eingeerntetem Grummet nach Michaelis, wenn vom Vorstand der Gemeinde die Eröffnung der Stoppelweide angekündigt worden war, ausgeübt werden. Weiterhin sollte von Meier und Ge­richt angeordnet und der Gemeinde verkündet werden, wohin das Zugvieh zu­sammen zu fahren war.

 

Da es im herrschaftlichen Interesse lag, daß die Felder ordentlich bestellt wurden, hatte sie auch darauf durch die Meier ihr Augenmerk gerichtet. Niemand sollte Frucht über die Zeit nachlässig stehen lassen, die Äcker unbebaut, die Wiesen von Unholz und anderem ungeputzt liegen lassen. Darauf hatte der Meier zu achten. Er mußte pfänden lassen auf Kosten dessen, der gefehlt hatte.121

 

Trotz des Namens war das Dorfgericht kein Organ der landesherrlichen Justiz. In Strafsachen waren das Hofgericht und das Oberamt zuständig. Lediglich die Ver­folgung und Aburteilung der Dorffrevel war Sache des Dorfgerichts, denn dies waren Verstöße gegen die Dorfordnung, die nicht von den landesherrlichen Be­hörden geahndet wurden. Das Dorfgericht verhängte Geldstrafen und Geldbußen, die meistens halb der Herrschaft und halb der Gemeinde zustanden. Leichte Ver­gehen wurden mit 5 Kreuzer geahndet, schwere Vergehen und Wiederholungen wurden mit Bußen bis zu 1 Gulden und mehr belegt. Es konnte auch mit Leibstra­fen bestrafen, das waren körperliche Züchtigung und stundenweise Freiheitsent­ziehung. Dafür gab es in der Gemeinde (auch in Gersweiler?) an einem öffentli­chen Platz einen hölzernen Esel, worauf der Frevler reiten mußte, eiserne Hals- und Armbänder, ein Cachot (Gefängnis) oder einen Trill (der Sünder wurde in ei­nen Käfig gesteckt, der sich um eine senkrechte Achse rasch drehen ließ). Insbe­sondere das ungezogene Verhalten von Kindern und von Gesinde wurde mit Leibstrafen geahndet.

 

Die Dorfordnungen zeigen für die verschiedensten Vergehen zahlreiche Strafen auf. Verstöße gegen die Pflichten als Gemeindemitglied waren zum Beispiel:

unentschuldigtes Fehlen bei der Gemeindeversammlung (10 Kreuzer) und vor­sätzliches Fehlen (30 Kreuzer). Als Verstöße gegen den Dorffrieden wurden Streitigkeiten auf der Dorfstraße mit 1 Gulden geahndet, kamen sie zwischen Gemeinsleuten und Gesinde vor, so wurde sogar mit Leibesstrafe bestraft. Als Beispiel für das Bestrafen von Eigentumsdelikten sei der Diebstahl von Feldfrüch­ten durch Kinder oder Gesinde angeführt. Hierbei wurden 1-3 Stunden Halseisen verordnet. Auch Vergehen gegen die Brandschutzverordnungen wurden sehr hart bestraft. So wurde Gehen mit glühenden Kohlen, Feuer oder offenem Licht in eine Scheuer, Stall oder zum Futter mit 5 Gulden bestraft.

 

Sehr zahlreich waren die Strafen bei Verstößen gegen die Feld-, Wald- und Vieh­bestimmungen. Wer wildes Obst ohne Erlaubnis des Dorfvorstandes erntete, mußte einen Reichsthaler (tagsüber) und 2 Reichsthaler (nachts) zahlen. Brenn­holzmachen außer an erlaubten Holztagen wurde mit einer willkürlichen Strafe belegt. Für Nichteinschließen der Schweine in der Nacht, nicht rechtzeitiges Austreiben der Schweine zur Herde und Abholen von der Herde war eine Strafe von 5 Kreuzer festgesetzt. Auch die Wirtshausvorschriften waren streng. Wer ge­gen das Verbot des Kartenspielens an Sonn- und Feiertagen und des Kegelspie­lens vor und während des Gottesdienstes verstieß, mußte 1/2 Gulden Strafe be­zahlen.

 

In Zivilsachen konnte das Dorfgericht Rechtsstreitigkeiten in Güte beilegen. Die streitenden Parteien konnten, bei geringem Streitwert, selbst entscheiden, ob sie zum Oberamt gingen oder beim Dorfgericht eine zeitliche Regelung suchten. Das Oberamt hatte die Möglichkeit, von sich aus die Parteien an das Dorfgericht zur gütlichen Einigung zu verweisen. Ans Oberamt gingen die Appelationen vom Dorfgericht.

 

Die Vorgehensweise beim dorfgerichtlichen Strafverfahren:

Die Gerichtssitzungen fanden vor der Gemeindeversammlung statt. Die Leitung hatte der Meier. Das Urteil fällten die Gerichtsmänner. Die Anklage vertrat der Heimmeier. Nach der Anklage kam der Beschuldigte zu Wort. Legte er ein Ge­ständnis ab oder war seine Tat offenkundig, wurde die Strafe sofort verhängt. Andernfalls folgte eine Beweisaufnahme mit Zeugenvernehmungen, Vorlesen der Pfandregister oder Hausdurchsuchungen durch den Dorfvorstand. Die Geldstrafen mußte der Heimmeier beitreiben. Konnte der Bestrafte die Buße nicht bezahlen, so wurde er gepfändet und zwar in Höhe der Strafe plus Verfahrenskosten. Löste er das Pfand innerhalb von 3 Tagen nicht ein, dann versteigerte es der Heimmeier und behielt aus dem Erlös den offenen Betrag ein.