DAS
18. JAHRHUNDERT
1. Die Meierei Gersweiler zu Beginn des 18. Jahrhunderts
1.1. Wiederbesiedlung
Die erste
Hälfte des 18. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch den Willen der Grafen
Ludwig Crato (bis 1713), Karl Ludwig (bis 1723) und Friedrich Ludwig (bis 1728)
zum Aufbau des immer noch notleidenden Landes. Bis zur Mitte des 18.
Jahrhunderts bot der Saarraum einen trostlosen Anblick. Die fast unaufhörlichen
Kriegsdrangsale des vergangenen Jahrhunderts hatten ihn schwer heimgesucht.
Die Bewohner waren völlig verarmt.104
Der
Wiederbevölkerung galt zunächst die größte Sorge der Grafen. Man versuchte,
wie nach 1648, das Land, ohne daß der herrschaftliche Nutzen im Vordergrund
stand, dichter zu besiedeln. 1696 wandte sich der Graf von Nassau-Saarbrücken
an die Untertanen, die in der Réunionszeit geflüchtet waren und auch an solche
aus anderen Territorien, die gewillt waren, sich in der Grafschaft
niederzulassen. Wer nach einer Frist von vier Wochen nicht zurückgekehrt war,
dessen Haus, oder das, was davon übrig war, konnte die Herrschaft jemand anderem
zu Erb und Eigen geben. Sie verzichtete bei Einheimischen für drei, bei Fremden
für sechs Jahre auf die Fronden und Lasten, die mit den Häusern verbunden
waren. Es gab finanzielle Erleichterungen, Holzzuweisungen für den Häuserbau
und weitere Vorteile.
Dieses Vorgehen
bestätigt unter anderem ein Bericht über die Gersweiler Schweizerei von 1728.
Darin heißt es, daß zu den Kriegszeiten viele Dörfer und Güter öd und wüst
geworden waren, auch von den Untertanen war der eine gestorben, der andere
verdorben. So seien nach dem Krieg viele Güter im Land vakant gewesen und der
Herrschaft heimgefallen. Wie dann nach und nach das Land mit Untertanen wieder
besetzt werden konnte, wurden an diese die Güter gegen einige Zahlung
überlassen.105 Nach Adolph Köllner brauchten die Gersweiler
Neuansiedler sogar nichts bezahlen, denn den Ansiedlern wurden die benötigten
Grundgüter aus dem vorhandenen Vorrat gratis überlassen.106
Für Gersweiler
läßt sich eine ähnliche Tendenz wie für das gesamte Saarland feststellen, wo
sich in der Zeit vor und nach der Jahrhundertwende wieder ein seßhafter Kern der
Bevölkerung herauskristallisierte.107 Nachkommen verschiedener
Familien (Siebenschuh, Becker, Kurtz, Diesinger, Ledig, Meyer, Kühner, Beyer,
Köhl, Martin und Mathieu ...) leben, mittlerweile fast 300 Jahre später, immer
noch in Gersweiler. Nachdem aber die Einwohnerzahl gestiegen war, setzte man ab
ca. 1715 strengere Maßstäbe für den Zuzug fest. Wer kein Vermögen besaß,
sollte ferngehalten werden. Die beim Zuzug festgelegten Gebühren mußten wieder
entrichtet werden. Ein Bericht von 1730, wiederum im Zusammenhang mit der
Schweizerei, zeigt den Erfolg der Besiedlungsbemühungen, der allerdings auch
seine negative Seite hatte. Die Bevölkerung hatte danach in diesem Ort nicht
allein, sondern auch in den umliegenden Orten sich vermehrt. Mithin wurde der
Bann stark betrieben, die Weide täglich schlechter und geringer.108
Hierzu ist zu
bemerken, daß die Bewirtschaftung des Bodens außerordentlich extensiv war, und
die landwirtschaftlichen Methoden noch sehr primitiv waren. Angebaut wurden
hauptsächlich an Getreide Korn und Hafer, außerdem Hanf, Flachs, Mais und
Tabak. Die Felder waren nicht in Fluren oder Gewanne aufgeteilt. Nach einer
Ernte blieb das Land der Außenfelder jahrelang liegen. In dieser Zeit wurde es
als Weide benutzt. Es wuchs mit Gras, Kräutern und Hecken zu. Erst wenn das
Land lange genug driesch (brach) gelegen hatte, wurden die Rotthecken, die zum
Brand nicht genug Holz hatten, ausgestockt. Alles Holz wurde samt den Stöcken,
Wurzeln und Wasen verbrannt oder geschiffelt.109
Das Land in der
Nähe des Dorfes wurde intensiver genutzt, wobei die Bodendüngung damals noch
sehr mangelhaft war. Da das Vieh fast das ganze Jahr hindurch auf der Weide
war, fehlte es an Dünger. Die Zustände in der Landwirtschaft setzten dem
Bevölkerungswachstum enge Grenzen. Wegen der schlechten Erträge suchten viele
Einwohner eine weitere Ernährungsgrundlage in zusätzlichen Hand- und
Fuhrverdiensten. Bereits ab 1710 sind wieder Auswanderungen aus der Grafschaft
feststellbar, ein Zeichen dafür, daß die bäuerlichen Betriebe wieder mit
Siedlern besetzt waren.
Wie in früheren
Zeiten bekam die Gemeinde Gersweiler mit ihren Nachbarn Schwierigkeiten.
Streitigkeiten mit Clarenthal und Saarbrücken mußten 1729 gerichtlich
entschieden werden. Auch gegen die herrschaftlichen Höfe Ziegelhof und
Schweizerei mußte man sich wehren. Die Streitpunkte waren Weideangelegenheiten,
Grenzstreitigkeiten, Benutzung des Kandelbrunnens durch die Viehherden, Machen
von Grummet und Holzberechtigungen. Die Schwierigkeiten, mit denen die Menschen
damals zu kämpfen hatten, verdeutlicht die Bittschrift der Gemeinde von 1728:
"Es ist bekannt, daß das Dorf und die Gemeinde Gerschweiller sich
mittlerweile dermaßen verstärkt hat, und sich noch täglich vermehrt, daß sich
die Nahrung ziemlichermaßen erschmälert findet. Außerdem muß sich auch in
diesem Dorf fast jedermann nur bloß allein von der Viehzucht erhalten und
nähren. Allein in Ansehung dessen befindet sich die ganze Gemeinde sehr
beschwert."110
Noch immer nahm
die Stiftsverwaltung den Zehnten ein. 1731 betrug er elf Malter, 1 Faß Korn
und ebensoviel Hafer. Gegenüber der Zeit vor dem 30jährigen Krieg war er um 12
Malter geringer. 1570 bestand der große Zehnt in 17 Malter Hafer und 17 Malter
Korn. Die Meierei war demnach noch nicht so leistungsfähig wie vor der großen
Verwüstung, hatte sich aber doch wieder erholt. Nach einem Verzeichnis,
vermutlich um 1730, worin die Orte der Grafschaft Saarbrücken nach der
Untertanenzahl aufgeführt sind, lebten in Gersweiler 13 und in Ottenhausen 5
Untertanen mit ihren Familien, während Klarenthal 24 Einwohner hatte.
1.2. Herrschaftliche Höfe und erste Industrien
Eine
privilegierte Stellung auf dem Gersweiler Bann nahmen der Ziegelhof, die
Schweizerei und der Aschbacher Hof als herrschaftliche Höfe ein. Der Aschbacher
Hof entstand aus einer im Aschbachtal gelegenen Ölmühle, die 1584 errichtet
worden war. 1713 bekam Johannes Stuckert die Mühle in Erbbestand und dazu
gleichzeitig acht Morgen Land. Das war der Grundstock des landwirtschaftlichen
Betriebes, dessen Grundbesitz im Laufe der Zeit von der Herrschaft bedeutend
vermehrt wurde. Der Aschbacher Hof wurde 1813 zusätzlich durch den Ziegelhof
erweitert. Dieser war seit 1666 als Ackerbaubetrieb verpachtet, um zusätzliche
herrschaftliche Einkünfte zu erzielen. Etwa um dieselbe Zeit wurde eine
Schweizerei als Milchviehwirtschaft eingerichtet und verpachtet, die bis 1748
existierte.
Die
herrschaftlichen Bemühungen um größere Einnahmen führten zu ersten Industrien.
Die Glasindustrie im Warndt dehnte sich aus. 1722 schon befand sich ein
Grubenstollen in der Nähe der Gehlenbacher- oder Stangenmühle (Haffners Grub),
die 1715 gegründet worden war, und zu der später eine Ziegelei, eine Erzgräberei,
ein Fährbetrieb über die Saar und eine Anlegestelle für Frachtkähne gehörten.
Da die
Landwirtschaft allein die Menschen nicht mehr ernährte, fingen die Bauern an,
nach Kohlen zu graben. Dafür mußten sie den Grubengüld zahlen. Die Kohle wurde
benutzt zum Brennen von Kalk, der als dringend benötigter Dünger Verwendung
fand. In Gersweiler ist vor allem der Name der Gebrüder Keiffer mit den
Anfängen der Kohlengruben verbunden. Die Gersweiler Gruben zählten in späteren
Jahren zu den bedeutendsten saarländischen Gruben. Über eine Verladerampe an
der Saar wurde die Kohle auf Schiffe geladen, die sie weiter verfrachteten.
1.3. Gründung von Krughütte 1721
1721 bekamen
vier Kannenbäcker (Hannß Georg und Hanß Caspar Krummeich, Hannß Peter und
Johannes Wingender) von Graf Carl Ludwig die Erlaubnis, sich zwischen
Gersweiler und Clarenthal anzusiedeln, und zwar auf Gersweiler Bann, um die
fette Erde der Aspacher Ziegelhütte zu verwerten.111 Sie erhielten
die persönliche Freiheit. 1726 kamen die Krug- und Kannenbäcker Stötzer,
Müller, Güth und Dacher. Die Krughütte gehörte von Beginn an zur Meierei
Gersweiler. Ihr Gewerbe übten die Kannenbäcker sowohl in Heim- als auch in
Gemeinschaftsarbeit aus. Das Geschirr wurde daheim geformt und dann in den
gemeinschaftlichen Brennöfen in der Mitte des Dorfes gebacken. Auswärtige und
einheimische Händler übernahmen es nach der Fertigstellung und verkauften es.
1.4. Die Größe der Gemeinde 1739
Die Größe der
Gemeinde und die Namen der Gemeinsleute erfährt man 1739, als diese den
Ziegelhof kauften. 16 Gemeinsleute lebten hier. Dazu kamen ihre kinderreichen
Familien, Knechte und Mägde. Die 16 Gemeinsleute waren: Meyer Hanß Henrich,
Bernard Bartolomeus (Berthelme), Becker Hans Nickel, Wandres Gilles (Schiel),
Beyer Peter (Petter), Köhl Christoph (Christophel), Martin Hans Georg (Görg),
Diesinger Hans Ebert, Bernardt Peter (Piro), Mathieu Jacob (Schack), Melling
Nicolaus (Nickellos), Siebenschuh Franz, Diesinger Hans Georg (Görg), Mathieu
Nicolaus (Kalas), Ledig (Lettig) Jacob und Diesinger Simon. In der Meierei lebten
noch 3 Hintersassen: Henrich Boey, Martten und Bernhart Better, Witwe, die
keine Güter besaßen. Da sie nicht vollberechtigte Gemeindemitglieder waren,
wurden sie an der Verteilungsaktion beteiligt.
Die Gemeinde
verkaufte Holländerholz und einige weit abgelegene Grundstücke an den Ziegler
der Krughütte, Henné, um den Kaufpreis bezahlen zu können. Das Holländerholz
wurde über Saar, Mosel und Rhein nach Holland geschafft, um vornehmlich bei
Schiffsbauten Verwendung zu finden. Über die Vorgehensweise der 16 Gemeinsleute
kam es 1758 zum gerichtlichen Streit, denn sie hatten das Land durch 16 geteilt
und jeder hatte 1/16 in Besitz bekommen. Als aber die Gemeinde wuchs,
verlangten die neuen Gemeinsleute ihren Anteil an diesem Land und erhielten es.112