DAS 17. JAHRHUNDERT

 

 

 

7. Wiederbesiedlung nach dem Dreißigjährigen Krieg

 

 

7.1. Die ersten Jahrzehnte nach der Verwüstung

 

Die Bestätigung, daß sich etliche wieder eingefunden hatten, findet sich im Rentenanschlag für 1651. Darin wurden für Gersweiler und Ziegelhütte immerhin 19 Gulden und 13 Albus veranschlagt.85 Diese erste Wiederbesiedlungsperiode war jedoch nicht von Dauer.

 

In den nächsten Jahrzehnten war Gersweiler fast menschenleer. Der Stand von 1635 wurde erst nach 1765 wieder erreicht. Die Städte Saarbrücken und St. Johann erreichten erst um 1790 mit 4500-5000 Einwohnern die Zahl von 1628. 1661 wurde Gersweiler in einer Aufzählung der Dörfer der Grafschaft Saarbrücken nicht aufgeführt. Die Wiederbesiedlung begann erst um 1672.

 

Einige wenige Namen von Einwohnern dieser Zeit sind bekannt:

- Weber Nickels Tochter Meyeta von Gersweiler (1647)

- Kohl Sontag, Matzen Cleßen und Alt Mergen, alle Gersweiler (17.5.1651)

- Hoffmann Sebastian (Hanß Bastian Hofmann), Müller zu Aschbach (1667)

- Beckers Clasen, Gersweiler (16.5.1661)

- Hoffmann Sonntag (1651)

- Lautemann Georg (1653, 1656, Fuhrknecht im Schloß)

- Lautemann Caspar (1679, 1680, jetziger Kuhhirt zu Gerschweiler, 1686 Caspar in der Vorstadt)

- Stephan Becker von Gerschweiler (1652, 1653, 1600 geboren)

- Müller Maria von Gerschweiler (1656)

- Schillis (1649, 1651, 1654, 1664: itziger Hofküfer; Ehefrau 1600 geboren)

 

Sontag von Ottenhausen (Sonntag Hoffmann) siedelte sich, nachdem er die von seiner Frau ererbten Güter übernommen hatte, in Ottenhausen an. Er schaffte es nicht, das verwilderte Land so zu bewirtschaften, daß er seine Familie durchbringen konnte und verließ die Grafschaft Saarbrücken, ohne sich von der Leibeigenschaft loszukaufen, im April 1664 nachts mit der gesamten Familie und dem Vieh. Daraufhin wurde er steckbrieflich gesucht und als treuloser und meineidiger Mann öffentlich deklariert. Sein Name wurde an den Galgen geschlagen und jedem Orts Meyer und Schöffen der Grafschaft Saarbrücken, wie nicht weniger allen Untertanen insgemein ernstlich befohlen, ihn beim Betreten der Grafschaft Saarbrücken gefangenzunehmen und nach Saarbrücken auszuliefern.86 Besagter Sonntag (Domenicus) kam von Merlebach und ging auch wieder dahin zurück.

 

Durch die Leibeigenschaft war jeder Untertan Teil der Einkünfte seines Herrn (Fron, Zehnt). Man durfte nur mit Einwilligung der Herrschaft in fremdes Gebiet ziehen, da Abwanderungen gleichbedeutend waren mit Minderung der gräflichen Einkünfte, die die Herrschaft aufgrund der Dezimierung der Einwohnerschaft dringend benötigte.

 

 

7.2. Zuzug bzw. Wegzug aus der Grafschaft

 

Das nassauische Amt Saarbrücken hatte in der Zeit von 1632 bis 1648 einen Bevölkerungsverlust von 84% erlitten. Das Interesse des Landesherrn am Besitz seiner Untertanen wird deutlich, wenn 1680 in der ausführlichen Beschreibung ... der Meyerey Gerschweiler in einem eigenen Abschnitt über die Leibeigenschaft ausgeführt wird, daß die Untertanen der Meierei zwar ihren freien Zug haben innerhalb der Grafschaft. Aber will jemand Gersweiler und die Grafschaft verlassen, so muß er sich entweder freikaufen oder es im Wechsel oder Tausch mit jemand tun, der von außerhalb in die Grafschaft kommt, so daß der Landesherr keine Nachteile hat. Auf jeden Fall muß es mit Wissen und Willen der gnädigen Herrschaft erfolgen. Kommt jemand von außerhalb der Grafschaft Saarbrücken in die Meierei Gersweiler, so muß er sich der alten Herrschaft ledigen und Nassauisch eigen machen. Diese Regelungen galten schon jahrhundertelang und sollten auch noch lange Zeit Bestand haben, wie der Verweis auf altes Herkommen zeigt: dermaßen ist es hergebracht, und wird noch also geuebt.87

 

Aufgrund der gesunkenen Einwohnerzahl schaffte Graf Gustav Adolph das Amt des Kanzlers oder Oberamtsmanns ab und übertrug dessen Geschäfte dem ältesten Rat. Die Wirren der Zeit werden auch ersichtlich, wenn es in einem Dokument von 1649 heißt: weil kein ordentlicher Stiftsschaffner zur Zeit verordnet und keine Anweisung der Herrschaft besteht, wie es mit St. Arnualer und Gersweiler Bann zu halten ist.88 Dies erscheint um so bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, daß das Stift immer über seinen Besitz auf Gersweiler Bann eifersüchtig wachte. Der Graf ließ die ausgewanderten Einwohner zur Rückkehr auffordern und versprach ihnen und einwanderungswilligen Fremden zeitweise Befreiung oder Minderung bestimmter Lasten, um das Land wieder aufzubauen und zu bevölkern.

 

Die Bemühungen um die Wiederbesiedlung des verödeten Landes hatten durchaus egoistische Gründe von Seiten des Landesherrn. Denn jeder einzelne Untertan war für ihn eine Erwerbsquelle, zu der nicht nur die zahllosen Abgaben, sondern auch die gemessenen und ungemessenen Frondienste zählten. Da die Vergünstigungen nach festgesetzten Fristen wegfielen, war das allumfassende Interesse des Herrn gewahrt: Alles gereicht einem hohen Herrn zum Nutzen, Menschen, Vieh, Felder und Wälder, und die Menschen gehen voran.89

 

 

7.3. Gründung herrschaftlicher Höfe: Ziegelhof, Schweizerei, Klarenthal

 

1666 kaufte der Graf von der Stadt Saarbrücken die Pestkirche zu Aschbach zurück und ließ sie als Hofgebäude des neuen herrschaftlichen Ziegelhofes herrichten. Ein Vertrag vom 4. März 1672 besagt, daß Jakob Maurer auf der herrschaftlichen Schweizerei in Gersweiler als Schweizer Pächter war. Eine Schweizerei war eine Milch- und Viehwirtschaft (Melkerei, Käserei). Die Pächter wechselten in späteren Jahren öfter. 1680 heißt es, daß der Ackerbau wenig profitierlich ist, zumal in diesem Bann ein faules und leeres Erdreich und Land sind und die Menschen fast mehrenteils arme, unvermögende Untertanen daselbst gewesen und noch sind.90

 

Im herrschaftlichen Wald bei Ottenhausen wurde 1662 eine Glashütte eingerichtet, die nach der später verstorbenen Gräfin Eleonore Klara von Hohenlohe den Namen Klarenthal erhielt. Clarenthal wurde Schutz und Schirm und Pflicht der Gräfin versichert und eine gewisse regulierte Freiheit, Ordnung und Satzungen Privilegia verliehen.

 

So erhielten die ersten Glasmacher unter anderem die persönliche Freiheit zugesichert. Ihre heiratsfähigen Kinder konnten ohne spezielle Erlaubnis oder Loskauf die Grafschaft verlassen und brauchten nicht das gezwungene Dienstjahr zu leisten. Die Klarenthaler wurden vom Frondienst befreit. Verwaltungsmäßig unterstand die Siedlung direkt dem Grafen, der seine Herrschaftsrechte durch den Schultheiß und den Heimmeier ausübte. Die Siedler bekamen auch Weideland in den Öder-Wiesen der Gewänne Gersweiler und Ottenhausen zugewiesen. 1723 wurde die Glashütte mit Verlust durch die Pächter stillgelegt, und nach und nach wurden alle Einwohner leibeigen; ihren Lebensunterhalt verdienten sie sich hauptsächlich in der Landwirtschaft.

 

Klarenthal hatte eine Dorfordnung, die im Freiheitsbrief von 1688 so angekündigt worden war: "zehntens übrigens des Orts gemeine Rechte und Gewohnheiten, wie solche hinkünftig observiert und exerviert werden sollen, davon soll ihnen ein absonderlicher Brief gefertigt werden." Ihre Existenz bestätigte 1756 der Amtmann Lex: "Dießes Dorf hat seine besondere geschriebene Dorf-Ordnung, welche der Heym-Meyer verwahret und alljährlich bei der Gemeinde vorlieget."91