DAS
17. JAHRHUNDERT
6.
Gersweiler im Dreißigjährigen Krieg
6.1.
Die ersten Kriegsjahre
1627 lagerten in den Orten Gersweiler und Ottenhausen
die Kompanien des Kaiserlichen Regiments Kratz, die hier übel hausten. In einer
Aufstellung über die Kriegsunkosten und Schäden durch Cratzisches Kriegsvolk
meldete das kleine Gersweiler 8 Pferde, 8 Schweine, 2 Immen, 13 Korn (Malter?),
4 Hafer, 44 (Gulden?) Kautionsgeld zur Auslösung von Menschen und Vieh, 30
unbezahlte Äcker und Soldatenkosten 458 (Gulden?). In den Jahren 1626, 1628 und
1634 wütete die Pest besonders heftig. 1628 wurde deshalb das Pestlazarett
erweitert. Der Saarbrücker Registrator Andreä zählte bei der Teilung der
Nassauischen Lande 1628 in einer Bestandsaufnahme der Grafschaft Saarbrücken
für die Meyerei Gersweiler 1 Mayer, 21 Underthanen, 4 Witwen, 1 leerstehendes
Haus und 1 Hirten. Damals war alles noch in gutem Wohlstand und Aufnahme
gewesen.72 Im Vergleich zu der Zählung von 1542 hatte sich also
nicht viel geändert. Es fällt auf, daß, wie 1542, nur ein Mayer und kein
Heimmeier für Ottenhausen genannt ist.
6.2.
Meier Terentius Müller
Für die Jahre 1628 und 1629 ist als Meier
Terentius Müller (Trentz Müller) bekannt (Bürge). Der Ersame Trentz Müller,
Nassauischer Meyer zu gedachtem Gerschweiler73 dürfte der Nachfolger
sein von Marx Mohr, während Mohr (Mor) Hans am 28.11.1631 als jetziger Meyer zu
Gersweiler74 als Bürge genannt wird. Im September 1635 wurden die
Orte Gersweiler und Ottenhausen völlig zerstört. Ende 1635 waren in Gersweiler
nicht mehr als 3 Untertanen am Leben, wie der Rentmeister Klicker registrierte.75
6.3.
Meier Mohr Hans
Hans Mohr, auch genannt Mor Henßgen und
Morsch Henßgen, war 1635 noch Meier, aber 1637 (20. Juli 1637) wird er als
verstorben angegeben: Gestrigen Tags vorm Junker Phil. Georg von Pißport
erschien Herr Joh. Schmidtborn, Kaufhändler, und zu verstehen gegeben, was er
im Jahre 1635 am 13. Mai dem Meyer zu Gersweiler Hans Mohren ... und aber
nunmehr ermelter Meyer verstorben. Nach Pfarrer Rug starb er nicht in der
Gersweiler Heimat: Man hatte ihm schon im Mai 1635 ein Pferd genommen, welches
er wieder zu erhalten suchte. Starb wohl bei Metz.76 Die Familie
Mohr scheint eine wohlhabende und einflußreiche Familie gewesen zu sein.
Die verängstigten Menschen suchten ihr Heil
in den heimatlichen Wäldern und Rotthecken sowie den kriegsentfernten Städten
des eigenen oder ihm befreundeten Landesherren. Die Gersweiler flüchteten
hauptsächlich ins lothringisch-elsässische Nachbargebiet, und hier vor allem in
die Gegend um Metz, wo auch noch 1683 Nachfahren lebten (Krieger Nickels Erb:
Tochter seines Bruders von Metz).
Graf Johann bezeugte in einem mit dem
Superlativ des Entsetzens aufgesetzten Schreiben an den Kaiser das grauenvolle
Elend: "Was zuvor unerhörtes Elend über das arme Volk ergangen, kann ich
nicht denken, daß mir nicht dafür graue. Denn ich selbst bin in Städte, Flecken
und Dörfer gekommen, da man nicht ein Haus gefunden, darin nicht vor Hunger
verschmachtete tote Körper gelegen. Ja, ich hab gesehen, daß die Leute vor
Hunger nicht allein allerhand unnatürliche Speisen und sich untereinander
selbst gefressen, sondern rasend geworden, wie die unvernünftigen Tier die
Sprache verloren."77
Am 15.7.1633 traten als Zeuge auf bei einem
Vertrag zwischen Lang Nickel und seiner Schwiegermutter Ärbe zu Gersweiler78
Hans Mohr, dero Zeit Meyer zu Gerßweiler und Andreas Hofmann, ältester Meyer.
Über den genannten Andreas Hofmann sagt A. Köllner, daß er Meier gewesen sei,
als das Dorf 1635 unterging79, was ich für sehr unwahrscheinlich
halte. Er wird in keiner Urkunde früher oder später erwähnt und die Bezeichnung
ältester Meier deutet eher auf eine frühere statt eine spätere Amtszeit hin. Es
könnte sich auch um jenen H. Andreas Hofmann handeln, der 1633 als Schöffe von
Saarbrücken in einem Saarbrücker Einwohnerverzeichnis aufgeführt ist. Es dürfte
derselbe Andreas Hofmann sein, der 1620 Meier der Stadt Saarbrücken war.
6.4.
Meier Hans Jacob
Am 31.5.1634 wurde von Hanß Jacoben (Wagner
Hanß Jakob) als Meyer zu Gersweiler und Lang Nickel, Gerichtsschöffe, der
Verkauf eines Wiesenplatzes beurkundet. Am selben Tag wurde ein Wiesenplatz am
Engenbach verkauft. Dieser Akt geschah vor dem Meyer Hans Jacoben und den zwei
Gerichtsschöffen Lang Nickell und Cuntzen Arnuall. Meyer und Gericht bekamen,
wie üblich, vier Maß Wein für ihre Bemühungen.
Dieser Hanß Jakob Wagner war 1633 noch nicht
Meyer, wie ein Protokoll bezeugt, als er zusammen mit Cuntzen Arnual, der für
sich und mit Beistand seines Bruders Osters Jacob Cuntz und dann Hans Jakob
Wagner, sämtlich zu Gersweiler und Ottenhausen wohnhaft, von der Witwe Theobald
Etzen zu St. Johann Geld geliehen hatte (105 Gulden).80
Da Hans Mohr am 13. Mai 1635 wieder als Meyer
zu Gersweiler genannt wird, war die Amtszeit des Hans Jakob Wagner nur von
kurzer Dauer. Am 26.4.1636 borgten sich Friedrich Seibert und seine Frau Marg.
sowie sein Schwager Lang Nickel, Gerichtsmann und beide Einwohner zu
Gerßweiler, in Saarbrücken Geld, um die bevorstehenden großen Hungersnöten81
zu überstehen. Aus den Akten ist zu ersehen, daß damals äußerste Notdurft und
viele Drangsale den Überlebenden zu schaffen machten. So sah Becker Hans, auch Bier
Hans genannt, von Gersweiler keine andere Möglichkeit, sich des grausamen
Hungers zu erwehren, als daß er sich in das Elend begeben mußte in der
Hoffnung, es würde der allmächtige Gott Leute erweichen, die ihn nicht gar
Hungers verderben lassen würden.82
6.5.
Einwohner 1635
Aus dem Renovaturprotokoll von 1683 geht
hervor, daß 1635 folgende Familien Land in Gersweiler besaßen: Stephan Becker,
Arnual Gillesen (Christschilles), Geiger Nickel, Friedrich Clausen, Mattheiß Claußen,
Melchior Claußen, Cuntzen Arnual, Hans Gichenbacher, Groß Jacob, Kiefer
Bernhard, Krieger Nickel, Lang Nickel, Lockweiler, Mohr Marx, Reuter Bartgen,
Reuter Hanß, Scher Hansen, Hans Jacob Wagner, die Krumme Chun (Hirtin).83
6.6.
Die letzten Kriegsjahre
Die Jahre bis zum Friedensschluß 1648 waren
weiterhin geprägt durch ständige Truppendurchmärsche der verschiedensten Heere
(spanische, kaiserliche, schwedische, lothringische), alle verroht und
ausgehungert. Die bäuerliche Bevölkerung mußte das Militär ernähren und wurde
dennoch ihrer wichtigsten Habe (Zugvieh, Saatgut und Ackergerät) und ihrer
leicht brennbaren Behausungen beraubt. Übergriffe der Landsknechte, Krankheit,
Unterernährung und Seuchen peinigten die Menschen. Das Acker- und Weideland wurde
zur Einode, die menschlichen Wohnstätten zu mit Gestrüpp überwachsenen
Trümmerhaufen.
Eine Beschreibung von 1680 besagt: Als aber
das unselige Kriegswesen bald darauf erfolgte, sind dieselben in anno 1635 bis
1639 fast alle vor Hunger und Kummer ausgestorben und verdorben. Also damals
blieb fast gar niemand übrig. Und obwohl sich nach geschlossenem Frieden anno
1648 etliche wenige wieder eingefunden, so sind dieselben doch nicht länger in
Ruh und bei ihren Gütern geblieben.84