DAS 17. JAHRHUNDERT

 

 

12. Die Verwaltung der Grafschaft Saarbrücken im 17. Jahrhundert

 

Das 17. Jahrhundert war eine Zeit der Kriege, Verwüstungen und Besetzungen durch fremde Herren. Alle diese Ereignisse hatten jeweils starken Einfluß auf den Zustand der Gerichts- und Verfassungsorganisation. Diese gründete sich auf die Kanzleiordnung des Grafen Ludwig II. von 1597. Danach war die zentrale Verwaltungsbehörde die Versammlung der Räte, die in einer sonderlichen Ratsstube zusammentrat.

 

Sie war zuerst zuständig für die privaten Belange des Grafen, erst dann befaßte sie sich mit den Problemen des Landes und der Untertanen. Der Oberamtmann oder Hofmeister vertrat den Grafen. Die Leitung der Kanzlei, womit er zur zentralen Person der Verwaltung geworden war, erhielt nun ein rechtskundiger, bürgerlicher Rat, der Kanzler, der so den nicht so gelehrten adligen Oberamtmann als obersten Verwaltungsbeamten verdrängte. War der Graf anwesend, so führte er den Vorsitz oder bestimmte den Kanzler. Unter dem Kanzler stand der Ratssekretär, der für den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb der Kanzlei zu sorgen hatte.

 

In den Bereich der Kanzlei als gräfliche Schreibstube fiel auch die Führung der Probsteiprotokolle, denen wir heute wertvolle Nachrichten aus dieser Zeit zu verdanken haben. Alle Bewohner der Grafschaft, außer denen der Städte Saarbrücken und St. Johann, mußten ihre Verträge über Grundeigentum und Pfandverschreibungen auf der Kanzlei vornehmen. Darüber wurde eine Eintragung ins Probsteiprotokoll gemacht und jeder bekam einen Probsteibrief.

 

Die Räte waren sowohl in der Kanzlei als auch im Hofgericht tätig. Das Amt hatte sich aus der Kanzlei heraus verselbständigt. Es war kein Teil der Kanzlei, sondern eine eigene Behörde, die auch räumlich von der Kanzlei getrennt war, eine besondere Stube. Vorsteher des Amtes war der Oberamtmann. Hier wurden Verstöße gegen herrschaftliche Verordnungen (Amtssachen) verhandelt und Streitigkeiten geschlichtet. Das Hofgericht tagte viermal im Jahr. Das Amt des Hofrichters versah nicht mehr der Oberamtmann, sondern der Kanzler.

 

Als 1635 Graf Wilhelm Ludwig die Grafschaft verließ, verwaltete sein Oberamtmann Piesport das Land, bis auch er floh. Kaiserliche Truppen übernahmen das Land, das gegen Ende des 30jährigen Krieges so entvölkert war, daß eine zentrale Verwaltung nicht mehr notwendig war. Die wenigen Untertanen waren sich selbst überlassen. 1641 schenkte der Kaiser die Grafschaft an Lothringen. Der lothringische oberste Beamte war Amtmann, Oberamtmann, Kommissar und Rentmeister zugleich.

 

1648 erhielten die Grafen von Nassau-Saarbrücken ihr Land im Frieden von Münster und Osnabrück wieder zurück. Es gab nur noch sechs Beamte: Oberamtmann, ein Rat, ein Sekretär, ein Schultheiß, ein Keller, ein Kammersekretär. 1662 ließ Graf Gustav Adolph das Amt des Kanzlers und des Oberamtmannes ganz wegfallen, denn das Land war kaum noch besiedelt und wirtschaftlich zugrunde gerichtet. Ansonsten war trotz der Verringerung der Beamtenschaft der Aufbau der Verwaltung wie 1597. Vordringliches Ziel war die Renovatur des Landes.

 

1673 wurde Saarbrücken von den Franzosen besetzt. Graf Gustav Adolph und sein Hofmeister wurden gefangen genommen. Es gab nun keine geordnete zentrale Verwaltung mehr. Die Grafschaft wurde 1680 Teil der Saarprovinz, an deren Spitze der Intendant de la Goupillière als Vertreter des französischen Königs stand. Durch die weitreichenden Befugnisse des Intendanten wurden nun die gräflichen Herrschaftsrechte stark eingeschränkt.

 

Ab 1684, als Frankreich die Saarprovinz auf 20 Jahre zugesprochen erhielt, wurden die Verwaltungs- und Gerichtsbehörden den französischen Einrichtungen angeglichen. Das höchste Gericht war die Baillage in Saarbrücken, über ihm stand das Parlament in Metz. Den Vorsitz hatte der Bailly, dieses Amt versah der gräfliche Oberamtmann. Unterste Gerichtsinstanz blieben die Dorfgerichte. In Saarbrücken war nicht mehr der Meier Vorsitzender des Stadtgerichts, sondern der Prévot, der zugleich der königliche und herrschafliche Stadt- und Landschultheiß war.

 

Die vorherige Personalunion zwischen Ämtern der Hofhaltung und der Zentralverwaltung wurde abgeschafft. Die Beamten der Verwaltung und der Justiz hatten keine Funktion mehr am Hof, auch der Hofmeister war nicht mehr in der Landesverwaltung tätig. Die Abgabenerhebung durch den Rentmeister verblieb dem Grafen, der seine verminderten Einnahmen allerdings mit dem französischen Fiskus teilen mußte. Die Zeit der Réunion war verwaltungsmäßig kein Doppelregiment, da der französische Intendant alles, was wichtig war, an sich zog.

 

Nach der französischen Besatzung (1697) war das Land finanziell und wirtschaftlich zerrüttet. Graf Ludwig Kraft richtete daher sein Hauptaugenmerk auf die Wiederbesiedlung des Landes und die Errichtung von Industrien, und vernachlässigte den notwendigen Neuaufbau der Verwaltung.

 

Im 17. Jahrhundert gab es keine kontinuierliche Entwicklung der Gerichts- und Verwaltungsorganisationen, was bedingt war durch die lange lothringische Besetzung im 30jährigen Krieg, durch die Entvölkerung des Landes, die französische Verwaltung während der Réunionszeit und die kurze Regierungszeit einiger nassau-saarbrückischer Landesherren. Sowohl die lothringische wie die französische Herrschaft hinterließen aufgrund ihrer Gewaltherrschaft nichts, was für die Organisation von Justiz und Verwaltung Bestand hatte.